Triboelektrik

Eine spannende Aufbereitungsmethode für Malz?

Triboelektrik
AutorInstitution
Johann LandauerLehrstuhl für Systemverfahrenstechnik, TUM
Prof. Dr. Petra FörstLehrstuhl für Systemverfahrenstechnik, TUM
Datum 21. März 2019
Ausgabe1
Jahrgang87
Seitenzahl30-32

Die Grundlage für jedes gute Bier bilden die Bestandteile des Malzes. Als wichtigste Komponenten sind die Stärke und die Enzymausstattung zu nennen. Für eine zielgerichtete Verarbeitung von Stärke wäre es wünschenswert, diese zuerst zu verkleistern und anschließend durch die malz­eigenen Enzyme die verkleisterte Stärke zu vergärbarem Extrakt abzubauen.

Problematisch ist allerdings die eingeschränkte Thermostabilität der Enzyme. Hier macht es die Natur dem Brauer*in nicht sehr einfach, da in jedem Malzkorn Stärke und Enzyme heterogen verteilt vorliegen. Um Prozessführung und Steuerung des Maischvorgangs zu verbessern, wäre ein zielgerichteter Einsatz der Enzyme wünschenswert [1]. Hierzu müssten aus dem heterogenen Ausgangsstoff Malz die zwei Gruppen Stärke und Enzyme voneinander getrennt werden. Diese selektive Abtrennung des Enzyms würde auch den Einsatzbereich von enzymschwachen Malzen, wie zum Beispiel stark gerösteten Malzen, erweitern. Eine solche Trennung ist eine überaus anspruchsvolle Aufgabe und bisher praktisch nicht umsetzbar, da beide Komponenten eine ähnliche Partikelgröße und Dichte aufweisen.

Wir stellen hier ein Verfahren vor, mit dem eine solche Trennaufgabe bewältigt werden könnte. Die vorgestellte Idee ist noch ein Stück weit Science-Fiction; würde sie umgesetzt, könnte sie zu einer grundlegenden Veränderung des Maischverfahrens führen.

Triboelektrischer Effekt

Der triboelektrische Effekt beschreibt das Aufladen von Oberflächen, das durch Berühren und nachfolgende Trennung passiert. Reibt ein Kind einen Luftballon an seinen Haaren, kommt genau dieser Effekt zum Tragen. Die Erhöhung der Ladungsmenge geschieht aber nicht durch das ­Reiben an sich, sondern durch die erhöhte Kontaktwahrscheinlichkeit und somit einem häufigen Berühren und Trennen der beiden Oberflächen [2].

Dieser Effekt ist sehr gut bei nicht leitfähigen Stoffen nutzbar, weil die Ladung von der Oberfläche nicht einfach abfließen kann. Da es sich hierbei um einen oberflächenphysikalischen Vorgang handelt, sind Partikelsysteme aufgrund ihrer großen spezifischen Oberfläche für ein triboelektrisches Aufladen besonders geeignet. Daneben weisen kleine Partikeln schon bei geringer Ladung der Oberfläche ein hohes Verhältnis aus Ladung zu Masse auf, was eine Beeinflussung der Partikeln im elektrischen Feld sehr einfach macht. Dadurch lassen sich die triboelektrisch geladenen Partikeln einfach in einem elektrischen Feld trennen [3].

Bisher ist nicht genau geklärt, warum sich Partikeln unterschiedlicher chemischer Zusammensetzung unterschiedlich aufladen. Breit diskutierte Hypothesen gehen von auf der Nanoskala unterschiedlich strukturierten Oberflächen aus. Besonders Unregelmäßigkeiten (Fehlstellen) könnten zum Ladungsübergang an der Oberfläche der Partikeln führen.

Abbildung 1 zeigt beispielhaft die unterschiedliche Morphologie von Gerstenstärke und Molkenproteinpartikeln. Gerstenstärke weist sehr glatte Partikeloberflächen, Protein hingegen zerklüftete Strukturen auf. So bietet der triboelektrische Effekt die Möglichkeit, auch Partikeln gleicher Größe hinsichtlich der chemischen Struktur und deren Oberflächenbeschaffenheit zu trennen [4]. Das Trennmerkmal beruht nicht – wie bei bisher üblichen trockenen Trennverfahren – auf der Partikelgröße oder Partikelmasse, sondern auf der unterschiedlichen triboelektrischen Aufladbarkeit der Partikeloberfläche.

Versuchsaufbau

Abbildung 2 zeigt den triboelektrischen Trennaufbau, der für erste Studien im Labormaßstab zum Einsatz kam. Die zu trennenden Pulver werden mit einer Venturidüse in einem Gasstrom dispergiert (A). In der Ladungsstrecke (B) kommt es unter turbulenten Strömungsbedingungen zu Partikel-Partikel- und Partikel-Wand-Stößen, wodurch sich diese positiv und negativ laden.

In der nachgeschalteten Trennkammer werden dann die unterschiedlich geladenen Partikeln im elektrischen Feld getrennt. Positiv geladene Partikeln werden so an der Kathode abgeschieden und negative an der Anode. Zur Bewertung der Trennung der binären Pulvermischung aus Protein und Stärke wird der Proteingehalt an Kathode und Anode verwendet.

Proteinausgangskonzentration und Partikelinteraktion

Zur ersten Untersuchung von verschiedenen Einflussfaktoren auf die Trennung von Stärke und Protein wurden bisher binäre Pulvermischungen aus Gerstenstärke und Molkenprotein verwendet. Abbildung 3 zeigt, dass eine Erhöhung des Proteingehalts von 15 wt.% auf 30 wt.% in der Pulvermischung zu einer Erhöhung des Proteingehalts an der Kathode führt. Eine weitere Erhöhung des Anfangsproteingehalts führt zu keiner weiteren Erhöhung des Proteingehalts an der Kathode. Dennoch können in einem einstufigen Trennverfahren bereits Proteingehalte von 75 wt.% und Stärkegehalte von mehr als 95 wt.% erreicht werden.

In einer turbulenten Rohrströmung kommt es neben Partikel-Partikel- auch zu Partikel-Wand-Stößen. Zur Abschätzung des Einflusses der Partikel-Wand-Interaktion wurden verschiedene Wandmaterialien mit unterschiedlichen Oberflächeneigenschaften für die Dispergiereinheit und die Ladungsstrecke gewählt (vgl. Abb. 2). In Abbildung 3 ist kein Unterschied bei der Trennselektivität zwischen den gewählten Kunststoffen PTFE (Polytetrafluorethylen), PMMA (Polymethylmethacrylat) und PVC (Polyvinylchlorid) zu erkennen. Die Partikelladung wird somit überwiegend durch Partikel-­Partikel-Interaktion hervorgerufen. Eine selektive Abtrennung der Malzenzyme von der Stärke wurde bisher noch nicht durchgeführt. Dennoch kann aus den ersten Versuchen die prinzipielle Möglichkeit zur Trennung abgeschätzt werden.

Einsatzmöglichkeit in der Brauerei

Da der triboelektrische Effekt bei jeder Berührung und anschließender Trennung zweier trockener Oberflächen stattfindet, scheint das Einsatzpotential sehr breit, z. B. zur Proteinanreicherung in Sojabohnen oder zur Aufbereitung von Presskuchen aus der Sonnenblumenölproduktion. Das Prozessfenster beim Maischen kann im Rahmen des Reinheitsgebots sehr stark erweitert werden. Dennoch sind einige limitierende Faktoren zu nennen. Wichtigste Voraussetzung für jede Trennung ist, dass das zu trennende Gut in verschiedenen Partikeln im Pulver vorliegt. Deshalb muss vor einer Trennung eine passende selek­tive Zerkleinerung stattfinden. Zudem ist die triboelektrische Aufladung sehr stark durch den Wassergehalt der Pulver beeinflusst. Mit steigendem Wassergehalt sinkt die Aufladbarkeit der Partikeln.

Dennoch sollte die Aufbereitung von organischen Rohstoffen für einen zielgerichteten Einsatz in der Brauerei möglich sein. Durch die triboelektrische Trennung würden sich aus dem zerkleinerten Schrot eine protein- und somit enzymreiche Fraktion und eine stärkereiche Fraktion herstellen lassen. In der weiteren Verarbeitung beim Maischen könnte somit zuerst die Stärke verkleistert werden und erst danach die malzeigenen Enzyme für den Abbau der Stärke hinzugegeben werden. Somit könnten zielgerichtet die notwendige ­Verkleisterungstemperatur und die Temperaturoptima der amylolytischen Enzyme innerhalb des Reinheitsgebots entkoppelt werden. Auch könnten enyzmschwache Chargen durch die zuvor abgetrennte und angereicherte Enzymfraktion verbessert werden.

Vorversuche zeigten, dass eine mechanische Aufbereitung mit einer sehr feinen Zerkleinerung von Gerstenmalz zu keiner Schädigung der amylolytischen Enzyme führt [5]. Neben dem direkten Einsatz in der Brauerei könnte die triboelektrische Trennung auch zur Aufbereitung von Malz für den Einsatz in Backmitteln verwendet werden, um dadurch hochkonzentrierte Enzympräparate zu erhalten. In weiterführen­den Arbeiten soll die notwendige Zerkleinerung des Malzes hinsichtlich einer Anreicherung der amylolytischen Enzyme α- und β-Amylase untersucht werden.

Literatur

1. Kirse, C.; Briesen H.; Bioprocess and Biosystems Engineering 2017, 40 (6), 867 – 876; DOI:10.1007/s00449-017-1751-9.
2. Lacks, D. J.; Mohan Sankaran, R.; Journal of Physics D: Applied Physics 2011, 44 (45), 453001; DOI: 10.1088/0022-3727/ 44/ 45/ 45 3001.
3. Lowell, J.; Rose-Innes, A. C.; Advances in Physics 1980, 29 (6), 947 – 1023; DOI: 10.1080/00018738 000101466.
4. Landauer, J.; Först, P.; Advanced Powder Technology 2018, 29 (1), 117 – 123; DOI: 10.1016/j.apt.2017.10.018.
5. Landauer, J.; Nöninger, D., Briesen, H.; Först, P.: „Mechanische Aufbereitung von Gerstenmalz“, in Der Weihenstephaner 2016, 84 (4), S. 152 – 154.

Downloads

NameDatei
Triboelektrik - Eine spannende Aufbereitungsmethode für Malz? Download