Ultraschall – eine nichtinvasive Online-Messtechnik

Robuste Messmethode

Ultraschall – eine nichtinvasive Online-Messtechnik
AutorInstitution
Alexander BeugholtLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Michael MetzenmacherLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Dominik GeierLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Prof. Thomas BeckerLehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie, TUM
Datum 14. August 2019
Ausgabe3
Jahrgang87
Seitenzahl118-120

Eine wesentliche Grundlage für die Digitalisierung von Herstellungsprozessen ist das Vorhandensein einer effizienten Online-Analytik. Online-Sensoren ermöglichen ein Monitoring des Produktes während seiner Herstellung und eine schnelle Auswertung direkt an der Prozesslinie. Weiterhin kann eine Implementierung von Regelungskonzepten auf Basis der gewonnenen Daten vorgenommen werden,
da die Zeit, in der die Messergebnisse und somit Informationen über Prozess- und/oder Produkteigenschaften erhalten werden, kürzer ist als die Zeit, in der sich diese Eigenschaften verändern [1].

Durch Online-Messtechnik werden somit Informationen für eine kontinuierliche Prozessüberwachung und -steuerung generiert. Eine vielseitige Möglichkeit zur onlinefähigen und nichtinvasiven Prozessüberwachung ist der Einsatz von Ultraschall. Dies wird im Folgenden erläutert und mögliche Anwendungsfelder für die Getränkeindustrie aufgezeigt.

Erzeugung und Ausbreitung von Ultraschall

Als Ultraschall bezeichnet man mechanische Wellen mit Frequenzen über 20 kHz und somit oberhalb des Hörbereichs des Menschen [2]. Ultraschall-Sensoren nutzen den sogenannten Piezoeffekt. Piezoelektrische Materialien können bei elastischer Verformung eine elektrische Ladung erzeugen (direkter Piezoeffekt) oder unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes ihre Dimensionen verändern (inverser Piezoeffekt). Daher spricht man auch von Ultraschall-Transducern, da sie mechanische in elektrische Energie umwandeln und umgekehrt.

Beim Einsatz von Ultraschall werden zwei Anwendungsbereiche unterschieden. Schallwellen im niedrigen Frequenzbereich mit hohen Leistungen werden als High Intensity Ultrasound (Frequenz 20–500 kHz, Intensität >1W/cm2) bezeichnet und genutzt, um physikalische, mechanische oder chemische Eigenschaften von Medien zu beeinflussen. Beispiele hierfür sind Entgasung von Fluiden, Extraktionsprozesse oder Zelllyse [3].

Schallwellen im hohen Frequenzbereich mit niedrigen Leistungen werden als Low Intensity Ultrasound (Frequenz 0,5–10MHz, Intensität <1W/cm2) bezeichnet und können für messtechnische Anwendungen genutzt werden, da sie keinen Einfluss auf die Produkteigenschaften haben. Je nach Medium können sich Schallwellen unterschiedlich ausbreiten und werden in Longitudinal-, Transversal- und Oberflächenwellen unterteilt. In Festkörpern kann sich Schall sowohl als Longitudinalwelle als auch als Transversalwelle ausbreiten; in Flüssigkeiten und Gasen nur als Longitudinalwelle. Bei Longitudinalwellen ist die Schwingungsrichtung der einzelnen Teilchen mit der Ausbreitungsrichtung der Schallwelle identisch, bei Transversalwellen schwingen die einzelnen Teilchen senkrecht zur Ausbreitungsrichtung der Welle. Oberflächenwellen hingegen bestehen aus einer Kombination von Longitudinal- und Transversalwellen und breiten sich insbesondere an den Grenzfläche zwischen den Phasen fest/flüssig und fest/gasförmig aus [4].

Weit verbreitete messtechnische Anordnungen zum Einsatz von Ultraschall sind in Abbildung 1 dargestellt. Transmissionsmessungen nutzen zwei Ultraschall-Transducer, einen Sender und einen Empfänger. Die Puls-Echo-Messung verwendet das Schallsignal, welches an einer Grenzfläche reflektiert wird. Dieses Schallsignal wird von demselben Ultraschall-Transducer erzeugt und aufgezeichnet. Auch die Pitch-Catch-Methode analysiert die Reflexion des ausgesandten Schallsignals, nutzt aber einen Sender und einen Empfänger.

Ultraschall zur Füllstands- und Durchflussmessung

Die Bestimmung von Füllständen, u.a. in Tanksystemen, ist ein etabliertes Anwendungsgebiet für nichtinvasive Messtechnik. Derzeit wird am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie an einer Methode geforscht, um selbst kleinste Füllstände (<2cm) detektieren zu können. Dieser Methode liegt die sogenannte Time-of-Flight-Messung zugrunde. Sie beschreibt die Zeitspanne, die eine Schallwelle benötigt, um von einem Sensor an die Flüssigkeitsoberfläche zu propagieren, an dieser durch den Impedanzunterschied zwischen Luft und Fluid reflektiert zu werden und sich wieder zurück zum Sensor zu bewegen [5]. Dabei ergibt sich der Füllstand h als (Gleichung 1):

Gleichung 1

USV = Schallgeschwindigkeit, T = Temperatur, ToF = Time of Flight

Bei diesem Messverfahren handelt es sich um eine Puls-Echo-Messung, siehe Abbildung 2a). Die Schallgeschwindigkeit ist dabei temperaturabhängig und muss bekannt sein. Durch eine zusätzliche Time-of-Flight-Messung über die als konstant angenommene Distanz d kann die aktuelle Schallgeschwindigkeit bestimmt und in Gleichung 1 eingesetzt werden. Die aufgezeichneten Ultraschallsignale werden in einer Datenbank gespeichert und anschließend weiterverarbeitet.

Diese Art der Füllstandmessung benötigt keine Einbauten in den Tank und genügt somit höchsten Ansprüchen an das Hygienic Design. Weiterhin bietet dieses nichtinvasive Verfahren die Möglichkeit einer nachträglichen Implementierung an existierende Anlagen.

Ein weiteres Einsatzgebiet von Ultraschall ist die Durchflussmessung. Hierzu stehen mit der Doppler- und der Transitzeit-Methode zwei Messprinzipien zur Verfügung [6]. Bei der Doppler-Methode wird die Frequenzverschiebung der Schallwelle detektiert. Da die Doppler-Methode jedoch voraussetzt, dass das untersuchte Fluid reflektierende Partikel enthält, findet sie im Bereich der Getränkeindustrie kaum Anwendung. Die Transitzeit-Methode eignet sich hingegen für Fluide und Gase mit geringen Partikelmengen. Das Schema der Transitzeit-Methode ist in Abbildung 2b) dargestellt. Die Bestimmung des Volumenstroms V basiert auf der Differenz der Transitzeit der Schallwelle zwischen Sender und Empfänger (Gleichung 2):

Gleichung 2

A = Rohrquerschnitt, L = Abstand zwischen Sender und Empfänger, α = der Winkel der Sensoren zur Fließrichtung, tup = Transitzeit der Schallwelle gegen die Fließrichtung, tdown = Transitzeit in Fließrichtung.

Ultraschall zur Fouling-Detektion

Die Detektion von Ablagerungen ist eine weitere Anwendungsmöglichkeit von Ultraschall. Am Lehrstuhl für Brau- und Getränketechnologie wurde dabei u.a. die Bildung von Fouling während der Sprühtrocknung von Milch überwacht [7]. Dafür wurden ultraschallbasierte Sensoren an ausgewählten Stellen in einen Sprühturm integriert, um die Bildung und Abreinigung der Fouling-Schicht zu detektieren. Das Prinzip, auf dem die Fouling-Überwachung mittels Ultraschall beruht, ist die Änderung der akustischen Impedanz Z, die abhängig von den Eigenschaften der Fouling-Schicht ist (Gleichung 3):

Gleichung 3

p = Schalldruck, u = Schallschnelle, ρ = Dichte, c = Ultraschallgeschwindigkeit

Sowohl die Wandung als auch die Fouling-Schicht und das Produkt haben unterschiedliche akustische Eigenschaften, wodurch es an deren Grenzflächen zu Reflexionen der Schallwellen kommt. Sobald verschiedene Medien M1 und M2 mit unterschiedlichen akustischen Eigenschaften in Kontakt treten und eine Grenzschicht ausbilden, ändert sich der Reflexionskoeffizient R. Dabei ist das Verhältnis von detektierter Schallenergie pr zu emittierter Schallenergie pi von den akustischen Eigenschaften der Grenzschicht, also der akustischen Impedanz Z1 des Mediums M1 und der akustischen Impedanz Z2 des Mediums M2, abhängig (Gleichung 4):

Gleichung 4

 

Der Reflexionskoeffizient R enthält materialspezifische Informationen der Grenzschicht und kann daher genutzt werden, um Fouling zu detektieren. Grundsätzlich konnte festgestellt werden, dass die Fouling-Entstehung während des gesamten Prozesses der Sprühtrocknung mit Ultraschall überwacht werden konnte. Auch die Dicke der Fouling-Schicht konnte über die Prozesszeit mit Ultraschall gemessen werden.

Durch dieses Vorgehen steht ein ultraschallbasiertes Überwachungssystem zur Verfügung, mit dem es möglich ist, den Reinigungszeitpunkt sowie die Reinigungsintensität an das detektierte Fouling anzupassen sowie den Reinigungserfolg nichtinvasiv zu überprüfen (s. Abb. 3).

Ultraschall zur Überwachung der Gärung

Weiterhin kann die alkoholische Gärung mittels Time-of-Flight-Messungen überwacht werden [8]. Auch der scheinbare Extrakt kann mit Ultraschall ermittelt werden. Durch den Abbau von Extrakt und der damit einhergehenden Produktion von Ethanol und Kohlenstoffdioxid verändern sich das Medium und seine akustischen Eigenschaften. Durch die Abnahme der Dichte verändern sich sowohl die Impedanz des Mediums als auch die Schallgeschwindigkeit. Auch aufsteigendes Kohlenstoffdioxid verändert die Ultraschallgeschwindigkeit im Medium und bewirkt eine Dämpfung des Signals. Die Ultraschallsignale werden daher so analysiert, dass sowohl physikalische Effekte als auch signalbasierte Änderungen im Ultraschallsignal detektiert werden. Diese sogenannten Features beschreiben dabei Signalcharakteristika wie Dämpfung, Time-of-Flight und weitere akustische Kenngrößen. Durch dieses Vorgehen konnte der Verlauf des scheinbaren Extraktgehalts während der Gärung mit Ultraschall bestimmt werden (s. Abb. 4).

Ultraschall ermöglicht zudem die Bestimmung von mehr als einer Eigenschaft eines Stoffsystems ohne Verdünnungsschritte und Probennahme. Beispielsweise kann durch die Bestimmung der Absorptionskoeffizienten eine Korrelation zur Hefezellzahl hergestellt werden [9].

Fazit

Die Anwendung von Ultraschall-Sensoren ist mit einigen Herausforderungen verbunden. So setzt diese Technik eine komplexe Signalverarbeitung voraus, welche nicht ohne entsprechende Anpassungen auf andere Systeme übertragen werden kann. Weiterhin sind die Signale stark von den untersuchten Medien abhängig. Dennoch bietet diese Technologie bei geringem Energieverbrauch eine Messmethode, die sowohl online als auch inline zur Bestimmung verschiedenster Prozessparameter genutzt werden kann. Da Ultraschall-Sensoren keinen direkten Kontakt zum Medium benötigen sind sie nichtinvasiv und die Reinigbarkeit der Anlagen wird nicht beeinflusst, was das Kontaminationsrisiko minimiert.

Ultraschall-Sensoren bieten zudem eine robuste Messmethode bei gleichzeitiger hoher Auflösung. Die möglichen Einsatzgebiete von Ultraschall im Getränkebereich sind aufgrund der genannten Vorteile vielfältig und es bestehen zusätzlich zu den hier genannten Applikationen zahlreiche weitere Anwendungsfälle.

Danksagung

Das IGF-Vorhaben AiF 18754 N des Forschungskreises der Ernährungsindustrie e.V. (FEI) wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Das Projekt Wissensbasierte Prozessintelligenz Projektnummer 031A616D wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Die Forschungsvorhaben FKZ 4025009PR6 und FKZ 4021103 des zentralen Innovationsprogramms Mittelstand wurden über die AiF Projekt GmbH vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert.

Literatur

1. Kessler, R. (Ed.): Prozessanalytik: Strategien und Fallbeispiele aus der industriellen Praxis, 1st ed., Wiley-VCH, Weinheim, 2012.
2. Dubbel, H.; Feldhusen, J.; Grote, K.-H. (Eds.): Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau, 24th ed., Springer, Berlin, 2014.
3. Cárcel, J. A.; García-Pérez, J. V.; Benedito, J.; Mulet, A.: „Food process innovation through new technologies: Use of ultrasound“, Journal of Food Engineering 110 (2012), S. 200–207; https://
doi.org/10.1016/j.jfoodeng.2011.
05.038.
4. Shearer, P. M.: Introduction to Seismology, Cambridge University Press, Cambridge, 2009.
5. Griffin, S.J. ; Hull, J. B.; Lai, E.: „Development of a novel ultrasound monitoring system for container filling operations“, Journal of Materials Processing Technology 109 (2001), S. 72–77. https://doi.org/10.1016/S0924-0136(00)00777-9.
6. Brucker, A.: Durchfluss-Messtechnik, Oldenbourg-Industrieverl., München, 2008.
7. Úbeda, M.; Whitehead, I.; Frankl, M.; Herfellner, M.; Geier, D.; Becker, T.: „Ultraschallbasierte Fou-
ling-Überwachung während der Sprühtrocknung“, Molkerei-Industrie 2018 (2018), S. 16–19.
8. Hoche, S.; Hussein, W. B.; Hussein, M. A.; Becker, T.: „Time-of-flight prediction for fermentation process monitoring“, Engineering in Life Sciences 11 (2011), S. 417–428. https://doi.org/10.1002/elsc.201000177.
9. Geier, D.; Heermann, K.; Hussein, M.; Becker, T.: „Effects of yeast and maltose concentration on ultrasonic velocity and attenuation coefficient and its application for process monitoring“, Engineering in Life Sciences 14 (2014), S. 433–441. https://doi.org/10.1002/elsc.201300030.

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