Umweltfreundliche Kalkabreinigung

mit Biopolymeren

Umweltfreundliche Kalkabreinigung
AutorInstitution
Trimpe, N.Fakultät Bioingenieurwissenschaften, Fachbereich Verfahrenstechnik, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Freising
Schäffer, J.Fakultät Bioingenieurwissenschaften, Fachbereich Verfahrenstechnik, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Freising
Grüner-Lempart, S.Fakultät Bioingenieurwissenschaften, Fachbereich Verfahrenstechnik, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf, Freising
Datum 09. September 2021
Ausgabe3
Jahrgang89
Seitenzahl119-121

Störende Kalkablagerungen, die regelmäßig entfernt werden müssen, um Schäden an Geräten und Anlagen vorzubeugen, sind in jedem Haushalt und vielen Industriebetrieben allgegenwärtig. Herkömmliche Kalkentferner weisen hierbei meist einen hohen Säuregehalt auf, welcher eine Gefahr für die Gesundheit des Endverbrauchers darstellt und schädlich für die Umwelt ist [1]. Natürlich vorkommende Biopolymere, wie beispielsweise Natriumalginat, bilden in Gegenwart von zweiwertigen Kationen, wie beispielsweise Ca2+, Komplexe aus [6]. In diesem Forschungsprojekt wurde untersucht, wie diese Fähigkeit genutzt werden kann, um Kalkablagerungen (im Wesentlichen CaCO3) zu entfernen. 

 

Biopolymere sind in der belebten Natur vorkommende Polymere, zu denen Nucleinsäuren, Polypeptide, Proteine, Polysaccharide und Polyisoprene gehören [2]. Ein prominentes Beispiel für Polysaccharide, die Calciumionen binden und damit für die Entfernung von Kalkablagerungen infrage kommen können, sind Alginate. Hierbei handelt es sich um Salze der Alginsäure, welche in Braunalgen vorkommen [3]. Alginate bestehen aus α-L-Guluronat- und β-D-Mannuronat-Resten, die über eine 1,4-glykosidische Bindung verknüpft sind [4]. Sie komplexieren Calciumionen sofern die Polymerketten Guluronsäuremonomere (G) enthalten, die wiederum GG-Blöcke in den Polymerketten bilden. GG-Blöcke von jeweils zwei Alginatmolekülen umschließen Calciumionen (Abb. 1), wodurch es zu einer Verbindung der Polymerketten und in dessen Folge zur Ausbildung eines Gelnetzwerks kommt [5, 6]. Dieser Mechanismus soll durch die Bindung von Calciumionen für die Entfernung von Calciumcarbonatrückständen genutzt werden.

Abbildung 1

Abbildung 2

Ziel der Forschungsarbeit

Das Ziel dieses Forschungsprojekts besteht in der Entwicklung eines auf Biopolymeren basierenden nachhaltigen Reinigers zur Entfernung von Kalkablagerungen. Durch den Einsatz von Biopolymeren soll der Gehalt an Säuren im Reinigungsmittel deutlich verringert und so die Korrosion von Oberflächen reduziert, die gesundheitliche Belastung für den Verbraucher und die Umwelt verringert werden. Das Reinigungsmittel soll als Gel oder Schaum appliziert werden, um die Kontaktzeit mit der zu behandelnden Oberfläche zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden verschiedene Biopolymere in Kombination mit diversen Zusatzstoffen und einer organischen Säure (Citronensäure) in unterschiedlichen Konzentrationen auf ihre Reinigungswirkung getestet. Zudem erfolgten Untersuchungen, die Reinigungseigenschaften der Biopolymere durch Modifikation der Kettenlängen mittels enzymatischer oder saurer Hydrolyse zu verbessern.

 

Material und Methoden

Für die Versuchsdurchführung wurden zahlreiche Kombinationen aus Biopolymeren, Zusatzstoffen und organischer Säure festgelegt und auf ihre Reinigungswirkung getestet. Bei den verwendeten Biopolymeren handelte es sich um verschiedene Natriumalginate, um κ-, ι- und λ-Carrageen sowie um Xanthan. Zudem wurden verschiedene Zusatzstoffe getestet, welche die mikrobiologische Stabilität, die Schaumbildung, die Viskosität und die Reinigungswirkung der Reinigungslösungen verbessern sollten. Weiterhin wurde die Verkürzung der Kettenlängen durch saure und enzymatische Hydrolyse und deren Auswirkung auf die Reinigungswirkung bei verschiedenen Biopolymeren erforscht. 

 

Die Reinigungsleistung wurde durch die Abreinigung von standardisiert verkalkten mineralischen Oberflächen gemessen, welche mit einer definierten Menge an Kalk reproduzierbar beschichtet wurden. Für die Reinigung wurden die Reinigungslösungen in verschiedenen Formen (flüssig, gelförmig und schaumförmig) auf die verkalkten Oberflächen aufgebracht. Bei der Reinigung mit flüssigen Reinigungslösungen wurden die beschichtete Oberfläche für einen definierten Zeitraum in ein Becken mit Reinigungslösung gelegt, welches mit einem Wippschüttler bei geringer Intensität bewegt wurde, um die Reinigungslösung während des Reinigungsprozesses zu durchmischen. Nach Ablauf der Behandlungszeit wurde die Oberfläche zunächst in ein Becken mit einer schwachen Base und anschließend in ein Becken mit destilliertem Wasser überführt, um die Reinigung zu beenden und Reste der Reinigungslösung zu entfernen. Die Reinigungsergebnisse wurden durch eine planimetrische Auswertung bestimmt. Hierfür mussten die Oberflächen unter standardisierten Bedingungen vor der Beschichtung, nach der Beschichtung und nach der Reinigung fotografiert werden. Dafür wurde ein Planimetriekamerasystem entwickelt, in dem die Oberflächen unter gleichbleibenden Bedingungen optisch erfasst und untersucht werden konnten. Anhand der optischen Veränderung der Oberfläche während des Reinigungsverlaufs konnte der Reinigungseffekt mithilfe der Aufnahmen über die Veränderung des Helligkeitswerts der einzelnen Pixel unter Einsatz des Programms Fiji ImageJ analysiert und anschließend berechnet werden. 

Abbildung 3

Die Reinigungsleistung der Biopolymerlösungen wurde mit der Reinigungswirkung kommerzieller Produkte verglichen. Hierfür wurden Reinigungsmittelkonzentrate nach Herstellerangaben verdünnt und getestet. Die Wirkung der gel- und schaumförmige Applikation der Biopolymerreiniger wurde nach gleicher Vorgehensweise analysiert, wobei sich allerdings die Art der Auftragung auf die Oberfläche von der Anwendung der flüssigen Reinigerform unterschied. Es wurden definierte Mengen an Gel bzw. Schaum direkt auf die Oberflächen aufgebracht, anstatt diese in ein Becken mit Reinigungslösung zu legen. Alle weiteren Schritte waren identisch zur flüssigen Reinigung. Um die Erzeugung eines gleichmäßigen und stabilen Schaums zu ermöglichen, wurden der Reinigungslösung verschiedene Tenside in unterschiedlichen Konzentrationen zugegeben und die Lösung über eine Düse mit N2O aufgeschäumt. Es wurde außerdem eine Reinigungslösung durch Zusatz von Tensid und Xanthan entwickelt, die als Schaum auf die beschichteten Oberflächen aufgetragen und dann innerhalb weniger Sekunden zu einem Gel zerfallen sollte. Um den Schaumzerfall zu beschleunigen, wurde eine definierte Menge an Entschäumer zugegeben. Für die Erzeugung einer gelförmigen Reinigungslösung wurde Xanthan hinzugegeben.

 

Nachhaltige Kalkabreinigung

Während der Durchführung des Projekts konnten mehrere Biopolymere identifiziert werden, welche in Kombination mit Citronensäure die Reinigungswirkung im Vergleich zu einer Reinigung mit identischer Säurekonzentrationen jedoch ohne Biopolymere deutlich steigern konnten. Die besten Reinigungsergebnisse konnten hierbei mit einem der ausgewählten Natriumalginate erreicht werden. Dieses Natriumalginat wurde mit 0,15 M Citronensäure und verschiedenen Zusatzstoffen hergestellt, welche den Herstellungsvorgang vereinfachten und die mikrobiologische Stabilität des Reinigers verbesserten. Diese Reinigungslösung lieferte vergleichbare Reinigungsergebnisse wie handelsübliche Reiniger mit deutlich niedrigeren pH-Werten. 

 

Tabelle 1: Gemessene pH-Werte der Reinigungslösungen.

Reinigungslösung

Gemessener pH-Wert

Reinigungslösung mit Natriumalginat

2,90

Entkalker und Betonlöser

1,03

Hochleistungsentkalker

1,50

Sanitärreiniger

1,54

Sanitärreiniger 2

2,15

Abbildung 4

Anhand der Ergebnisse lässt sich erkennen, dass das Reinigungsmittel durch die Zugabe des Natriumalginats ein deutlich effektiveres Ergebnis liefert als das Reinigungsmittel mit gleicher Konzentration an Citronensäure jedoch ohne Biopolymer. Dieser Effekt lässt sich auf die besonders wirksame Kombination aus Citronensäure, die Calciumcarbonat in der Beschichtung auflöst und Natriumalginat, das gleichzeitig Calciumionen aus dem Calciumcarbonat komplexiert, zurückführen. Damit konnte die Effektivität des Reinigungsvorgangs vervielfacht werden. 

 

Die Reinigungslösung wurde neben der flüssigen Form auch als Gel, als Schaum und als Schaum, welcher nach wenigen Sekunden zu einem Gel zerfällt, auf die beschichteten Oberflächen appliziert. Da im Vergleich zur flüssigen Reinigung nur etwa 1 % des Volumens an Reinigungslösung auf die Beschichtung aufgetragen wurde und der Versuch nicht auf einem Wippschüttler durchgeführt wurde, lag eine geringere Reinigungsgeschwindigkeit als bei den zuvor aufgeführten Versuchen vor. Dennoch konnte gezeigt werden, dass eine Abreinigung der Kalkbeschichtung auch unter diesen Bedingungen funktioniert. Für die schaumartige Auftragung wurden Reinigungsversuche mit verschiedenen Tensiden und den Inhaltsstoffen der oben beschriebenen Reinigungslösung durchgeführt. Für die gelförmige Auftragung wurde dieser Prozess mit Xanthan anstelle der Tenside durchgeführt. Die Reinigungslösung, welche von der Schaumstruktur zu einem Gel zerfiel, wurde mit dem Tensid und der Tensidkonzentration sowie dem Xanthan und der Xanthankonzentration erstellt, welche die besten Ergebnisse für die schaumartige und die gelartige Auftragung erzielten. Die Ergebnisse der effektivsten Reinigungslösungen wurden anschließend miteinander verglichen. Das beste Reinigungsergebnis zeigte die als Schaum aufgetragene Reinigungslösung auf, welche den größten Teil der Kalkbeschichtung innerhalb von 600 Sekunden gleichmäßig abreinigen konnte. Damit wurde auch bestätigt, dass die Reinigungslösung in dieser Applikationsform wirksam eingesetzt werden kann. 

Abbildung 5

Die Ergebnisse der gelförmig aufgetragenen Reinigungslösungen und der Reiniger, die als Schaum, aufgetragen werden und dann zu einem Gel zerfallen, weisen darauf hin, dass sich die Reinigungslösung mit dem verwendeten Natriumalginat nicht für die gelförmige Auftragung eignet. Dies ist vermutlich darin begründet, dass die erhöhte Viskosität zu Ausbildung einer festen Gelschicht auf der Kalkbeschichtung führt und damit ein stark reduzierter Stoffaustausch zwischen Beschichtung und Reinigungslösung hervorgerufen wird. Dies führt zu einer Stagnation der Reinigungswirkung. 

Abbildung 6

 

Schlussfolgerung und Ausblick

Innerhalb dieses Forschungsprojekts konnte gezeigt werden, dass sich Biopolymere hervorragend dafür eignen, Reinigungslösungen zur Kalkentfernung mit einem deutlich reduzierten Säuregehalt herzustellen und dennoch eine vergleichbare Reinigungswirkung erzielt wird, wie mit kommerziell angebotenen Produkten. Zudem konnte gezeigt werden, dass die Reinigungslösung neben einer flüssigen Auftragung auch als Schaum auf das zu reinigende Objekt aufgetragen werden kann, wodurch sich zum einen schwer zugängliche Bereiche von Anlagen reinigen lassen und durch die längere Kontaktzeit zwischen Oberfläche und Reinigungslösung die notwendige Menge an Reinigungslösung deutlich reduziert werden kann. 

 

In weiteren Untersuchungen dieses Forschungsprojekts wurden Verfahren entwickelt, um die Kettenlängen der Biopolymere zu messen und zu modifizieren. Dies soll in zukünftigen Forschungsarbeiten genutzt werden, um weitere Rohstoffquellen für Biopolymere durch gezielte Modifikation für die Anwendung in einem Biopolymerreiniger zur Kalkentfernung zu erschließen und die komplexierende Wirkung der Biopolymere weiter zu steigern. 

 

Danksagung

Die Autoren danken dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) für die Förderung dieses Forschungsvorhabens (Förderkennzeichen ZF4449703RH8) und dem Projektpartner HWR-Chemie für die Unterstützung und die gute Zusammenarbeit.

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