Autor | Institution |
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Dr. Johannes Tippmann | Fakultät Bioingenieurwissenschaften, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) |
Prof. Mirjam Haensel | Fakultät Bioingenieurwissenschaften, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf (HSWT) |
Datum | 04. Juni 2020 |
Ausgabe | 2 |
Jahrgang | 88 |
Seitenzahl | 74-76 |
Beim Entstehen dieses Artikels befindet sich nahezu die ganze Welt in einem Shutdown. Dieser Zustand trifft vor allem die Gastronomie. In einem nie dagewesenen Szenario mussten fast alle Schankanlagen in Windeseile stillgelegt und für eine ungewisse Zwangspause vorbereitet werden. Ausführliche Hinweise für einen erfolgreichen Shutdown sind in „Brauwelt“ Nr. 20, 2020 [1] nachzulesen.
Nach der Saison ist vor der Saison
Die Situation eines längeren Shutdowns ist für den Großteil der Gastronomie unbekannt, in Wirklichkeit aber keine Seltenheit. Neben der noch geläufigen Stilllegung von Durchlaufkühlern, Biergartenschänken oder Glühweinerhitzern spielt die Stilllegung einer fest installierten Schankanlage vor allem in der Saison-Gastronomie, wie z.B. in Ski-Orten, eine sehr wichtige Rolle. Hier wurden über die Jahre Erfahrungen gesammelt, die sich am besten mit dem Spruch „Nach der Saison ist vor der Saison“ beschreiben lassen. Je gewissenhafter die Stilllegung der Anlage erfolgt ist, desto einfacher und schneller kann die Wiederinbetriebnahme durchgeführt werden.
Und so gilt es, dass am Ende einer Pause immer – und hoffentlich so auch nach dieser Krise – ein Neubeginn steht. Es gilt, in den alten Rhythmus zurückzufinden und die Arbeitsmittel dafür entsprechend vorzubereiten. Eine geschickte Planung erspart dabei Stress und verhindert, dass Fehler begangen werden. Abhängig von Größe der Anlage und Dauer der Unterbrechung gestalten sich die Tätigkeiten, die für die Wiederinbetriebnahme durchzuführen sind, entsprechend umfangreich.
Kontrolle auf Funktionsfähigkeit der Anlage
Bevor mit der Reinigung der Schankanlage begonnen wird, muss die Funktionsfähigkeit der verschiedenen Bereiche kontrolliert werden. Bei den getränkeführenden Bauteilen kann dies recht einfach durch eine Sicht- und Funktionskontrolle während dem Vorspülen der Anlage mit Wasser durchgeführt werden.
Treten im Extremfall Verklebungen am Zapfkopf oder Zapfhahn auf, müssen Sonderbehandlungen bei der Reinigung durchgeführt werden. Bei Undichtigkeiten sind Verbindungen nachzuziehen und gegebenenfalls auszutauschen. Lebenswichtig ist die Kontrolle der sicherheitsrelevanten Bauteile, welche entweder Schankgase führen oder gegen den unerwünschten Austritt absichern, wie z.B. Gaswarnanlagen. Zwar schreibt der Gesetzgeber vor einer Wiederinbetriebnahme keine Prüfung nach BetrSichV [2] vor, allerdings sollte es schon im Eigeninteresse des Betreibers liegen, eine Funktionskontrolle der Gaswarneinrichtung sowie einen Dichtigkeitstest am Schanksystem durchzuführen. Ein besonderes Risiko liegt dabei in der Gaswarnanlage, wenn diese aus Gründen des Stromsparens ausgesteckt wurde!
Reinigung der Schankanlage nach der Pause
Im Zentrum jeder stillgelegten Schankanlage steht die Reinigung der Getränkeleitungen, wie sie auch in der DIN 6650-6 gefordert wird [3]. An diesem Punkt zahlt sich Gewissenhaftigkeit bei der Stilllegung aus, denn es gilt: Je sauberer die Anlage gereinigt und „eingelagert“ wurde, desto schneller ist die unbedenkliche Betriebsbereitschaft wiederhergestellt.
Sauber: Desinfizierter, eingepackter Zapfkopf
Zapfkopf mit Schimmel
Als Prozedere ist hierbei der Ablauf einer Grundreinigung zu empfehlen, wie sie z.B. vom Deutschen Brauer-Bund e.V. beschrieben wird [4]. Allerdings sollte vor der Reinigung der Grad der Verschmutzung erfasst werden. Viele Anlagen werden während der Pause unter Wasser stehen gelassen. Wird dies richtig gemacht, ist daran nichts auszusetzen. Allerdings kann dieses Wasser unrein sein, bei einer Infektion schnell „kippen“ und dadurch unangenehme Gerüche verbreiten. Diese sind häufig kunststoffgängig, was bedeutet, dass sie während der Stillstandszeit in das Schlauchmaterial diffundieren – und nach dem Anschluss des frischen Getränkes auch wieder zurück in dieses. Beim Vorfinden einer solchen Situation wird auf jeden Fall der Austausch der Leitungen empfohlen, da selbst eine Reinigung mit Boostern selten zu einem guten Erfolg führt.
Zapfhahn, Zapfkopf und sonstige Bauteile der Anlage sollten bei der Stilllegung ebenfalls gewissenhaft zerlegt und desinfiziert worden sein. Trotzdem empfiehlt es sich, auch an diesen Bauteilen eine Sichtkontrolle durchzuführen. Selbst bei optimaler Vorbereitung bei der Stilllegung kann nie ausgeschlossen werden, dass sich Beläge gebildet oder sonstige Verschmutzungen festgesetzt haben. Dann ist eine Nachbehandlung durchzuführen.
Reinigung der Peripherie
Unter der „Reinigung nach der Wiederinbetriebnahme“ wird häufig nur die Reinigung der Getränkeleitungen verstanden. Jedoch liegt häufig im Umfeld der größere Aufwand verborgen, vor allem, wenn gewisse Punkte bei der Stilllegung nicht bedacht wurden.
- Oftmals wird z.B. die Kühlzelle aus energetischen Gründen ebenfalls außer Betrieb genommen. Wenn dabei vergessen wird, für eine ausreichende Belüftung zu sorgen, sieht sich der Betreiber schnell mit einer ansehnlichen Schimmelschicht konfrontiert.
- Gerne wird bei einer Stilllegung auch der Begleitkühler außer Betrieb genommen – um Strom zu sparen –, ohne hierbei das Wasser aus diesem abzulassen. Rasches Biofilm-Wachstum kann hier neben der sensorischen Beeinträchtigung der Getränke (!!!) auch dazu führen, dass das Gerät im schlimmsten Fall Schaden durch Verstopfungen nimmt.
- Auch das Gläserspülgerät – egal ob automatisch oder manuell – muss auf seinen neuen Einsatz gut vorbereitet werden.
Die Liste ist bei weitem nicht vollständig, es muss jeder hygienisch relevante Teil auf seinen Status überprüft und gegebenenfalls hygienisch nachbearbeitet werden. Es gilt hier bei jedem einzelnen Punkt: Vor der Saison ist nach der Saison. Versäumnisse in der Stilllegung müssen im Nachhinein mit meist höherem Aufwand geheilt werden.
Das alte Fass kann doch noch…, oder?
Bei geplanten Saison-Schließungen zapft der Wirt das letzte Fass mit ausreichend Vorlauf vor Betriebsende an, um Verluste durch nicht vollständig geleerte Gebinde zu vermeiden. Bei ungeplanten Stilllegungen wie im Zuge des Corona-Shutdowns war dies allerdings häufig nicht umsetzbar. In der Konsequenz bedeutet ein halbvolles Fass für den krisengebeutelten Gastronomen einen Verlust, den er gerne durch die Wiederverwendung ausgleichen möchte. Vom Anstich eines alten Fasses wird allerdings dringend abgeraten, da das Risiko einer Veränderung des Produktes und damit ein lebensmittelrechtlicher Verstoß mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben ist. Dieses Risiko ist in vielen Fällen zusätzlich erhöht, wenn die Bierkühlung während des Shutdowns ausgeschaltet worden ist.
Die für eine Freigabe und somit Verwendung des Getränks notwendigen Untersuchungen, z.B. durch die Brauerei, verursachen zudem Kosten, die vermutlich nicht im Verhältnis zur Ersparnis stehen. Zudem geben sich viele Brauereien schon aus Eigeninteresse kulant und gleichen solche Bierfässer mit Gratislieferungen oder Gutschriften aus.
Sensorische Beurteilung nach der Wiederinbetriebnahme
Nachdem die Leitungen gereinigt und die neuen Fässer angestochen wurden, erfolgt die sensorische Abnahme der Schankanlage.
Wasserleitungen mit Stagnationswasser
In unbenutzten Wasserleitungen befindet sich Stagnationswasser, das nicht nur ein unangenehmes Aroma, sondern auch gesundheitsbedenkliche Keime beinhalten kann. Der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches e.V. (DVGW) empfiehlt für die Wiederinbetriebnahme von Wasserleitungen nach einer Stillstandszeit von mehr als vier, aber höchstens sechs Wochen, das Wasser im kompletten System auszutauschen [5]. In der Praxis wird dies erreicht, indem das Wasser so lange laufen gelassen wird, bis eine Temperaturkonstanz im Wasser erreicht ist. Bei längeren Stillstandszeiten empfiehlt der DVGW in seiner Information vom 20. März 2020 [6] unter anderem eine Wiederinbetriebnahme nach DIN EN 806-4 durchzuführen.
Stagnationswässer können an regulären Wasserhähnen einfach entfernt werden. Schwieriger gestaltet sich dies bei nachteiligem Einbau, z.B. bei den Eckventilen für Gläserspülgeräte und unter Umständen bei leitungsgebundenen Wasserspendern. Um hier einer Verschleppung von Kontaminationen vorzubeugen, sind diese Bereiche ebenfalls bei der Spülung der Leitungen mit zu erfassen.
Schnelle Selbstkontrolle der Getränkequalität
In Zeiten wie nach diesem (hoffentlich einmaligen) Shutdown ist die Getränkequalität von oberstem Interesse. Negative Erfahrungen treiben die Kunden schnell zur Konkurrenz. Die am häufigsten angewandte Methode ist die sensorische Analyse durch visuelle und organoleptische Begutachtung der Getränkeproben.
Eine tiefergehende Untersuchung sämtlicher Leitungen dürfte sowohl von der Laborkapazität als auch finanziell vermutlich eher unrealistisch sein. Nicht nur aufgrund der Shutdown-Lage ist das Bedürfnis nach einem einfachen, günstigen Test zur mikrobiologischen Überprüfung der Getränkequalität seit Langem ein Traum vieler Brauereien und Gastronomen.
Prof. Werner Back entwickelte bereits vor längerer Zeit einen mikrobiologischen Schnelltest, welcher mit wenig Aufwand vom Gastronomen selbst durchgeführt werden kann. Dieser ist zwar sehr unspezifisch hinsichtlich der Keimarten und Keimkonzentrationen, gibt dem Betreiber aber innerhalb kurzer Zeit den Hinweis über die hygienische Situation in seiner Schankanlage.
Bei den Verschmutzungen in Getränkeschankanlagen handelt es sich meist um Biofilme, also Ansammlungen von Mikroorganismen auf Oberflächen eingebettet in eine schleimartige Matrix. In dieser kommt es letztendlich zu einer Kolonisierung und Vergesellschaftung verschiedener Mikroorganismen. Hierzu zählen neben den obligaten Bierschädlingen (z.B. Lactobazillen und Pediokokken) auch potentielle Bierschädlinge (z.B. Fremdhefen), welche erst nach der Anpassung der Lebensbedingungen in der umgebenden Matrix zu Wachstum fähig sind. Häufig wird dies durch den beschriebenen Biofilm begünstigt. Gemein haben sie eines: Sie verändern das Getränk hinsichtlich verschiedener sensorischer Eigenschaften. Gleiches gilt für Indikatorkeime, wie zum Beispiel Essigsäurebakterien und Fremdhefen. Sie entstehen durch mangelnde Reinigung und Hygiene und vergesellschaften sich gerne mit Bierschädlingen [7].
Die Einfachheit dieser Schnellmethode basiert auf der beschriebenen Charakteristik des Biofilmes in einer Schankanlage und ist daher auf die Bestimmung der Schleimbildner ausgelegt. Ein besonderer Schutz oder eine spezielle Vorrichtung für die Schnellmethode ist nicht erforderlich und die verschlossenen Probengefäße können im Hausmüll einfach entsorgt werden. Um die Sicherstellung der Getränkequalität in der Gastronomie weiter zu erleichtern, wird diese Schnellmethode derzeit an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf weiterentwickelt. Die Entwicklung befindet sich in der zweiten Phase und wird voraussichtlich im Sommer zur Verfügung stehen.
Eine erste Bachelorarbeit [8] dazu wurde bereits erfolgreich abgeschlossen, weitere Arbeiten sind derzeit in Bearbeitung beziehungsweise Planung. Um zuverlässige Aussagen treffen zu können, ist eine große Zahl an Referenzanalysen notwendig. Für möglichst reproduzierbare Ergebnisse werden daher noch Brauereien oder Gastronomen gesucht, bei denen anonymisiert Proben für die notwendige Validierung entnommen werden können. Ziel ist es, bis Anfang des nächsten Jahres Betreibern von Getränkeschankanlagen diese Schnellmethode zur Verfügung stellen zu können.
Weiterführende Unterstützung nach einem Shutdown
Durch die Corona-Situation wurden von vielen Seiten unterstützende Informationen für die Wiederinbetriebnahme einer Getränkeschankanlage entwickelt. Diese sind jedoch nicht nur für den hoffentlich einmaligen Pandemie-Fall interessant, sondern können in Zukunft auch für saisonale Stilllegungen als praktische Arbeitshilfe herangezogen werden. Beispiele sind neben zahlreichen Brauereien u.a. bei der Berufsgenossenschaft für Nahrungsmittel und Gastgewerbe BGN im Schankanlagenportal (https://getraenkeschankanlagen.portal.bgn.de), beim Bundesverband für Schankanlagen und Gastronomietechnik BvSG e.V. (www.bvsg.de) sowie dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (www.dehoga.de) zu finden.
Gefährdungsbeurteilung und Mitarbeiterunterweisung
Im Rahmen der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung muss die Pandemie-Gefahr neu mit aufgenommen werden. Die getroffenen Hygienemaßnahmen sind im Rahmen einer Mitarbeiterunterweisung zu kommunizieren. Hinweise und Vorlagen zur Gefährdungsbeurteilung inklusive der notwendigen Schutzmaßnahmen werden ebenfalls von verschiedenen Verbänden angeboten.
Literatur
1. Tippmann, J., et al.: „Shutdown: Stilllegung einer Getränkeschankanlage“; in: Brauwelt Nr. 20, 2020, S. 545 – 547.
2. n.n.: Betriebssicherheitsverordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49), die zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung vom 30. April 2019 (BGBl. I S. 554) geändert worden ist.
3. DIN e.V. DIN 6650-6 „Getränkeschankanlagen – Teil 6: Anforderungen an Reinigung und Desinfektion“; Beuth Verlag GmbH, Berlin, 2014.
4. Mathes, F., et al.: „Die Grundreinigung einer Schankanlage“; Deutscher Brauer-Bund e.V., https://www.brauer-bund.de/download/Archiv/PDF/ausschank/Die Grundreinigung einer Schankanlage.pdf; [zuletzt aufgerufen am 6. Mai 2020].
5. DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: „Hygienisch sicherer Betrieb von Trinkwasser-Installationen“; Information des DVGW zur Trinkwasser-Installation, twin Nr. 09, Bonn: s.n., 2014.
6. DVGW Deutscher Verein des Gas- und Wasserfaches e.V.: „Vorübergehende Stilllegung von Trinkwasser-Installationen in Gebäuden“, Information vom 20. März 2020.
7. Back, W.: „Biofilme, Hygieneanforderungen im Getränkebetrieb, Identifizierung von Mikroorganismen“, Aktuelle Themen der Getränkemikrobiologie, 2018-19.
8. Dietz, S.: „Optimierte Reinigung und Überprüfung von Getränkeschankanlagen im Gastronomiebereich“, Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Freising-Weihenstephan: s.n., 2019.
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